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In der Kunst drängt bekanntlich vieles zur Metapher, um das Eindeutige zweideutig zu machen, vielleicht auch, um mit der Differenz von Faktum und Fiktum zu spielen. Christoph Mauses Kunstobjekte führen ein solches Wechselspiel geistreich und variantenreich auf. Empirisch lassen sich die Werke nicht fassen, idealisch aber sollen sie auch nicht sein. Minimal - Animal als der gewählte Ausstellungstitel umschreibt in schönem Wortspiel die Absicht. Auf dialektische Komplikationen im Kunst- wie im Tierbereich sollte der Betrachter sich einstellen. Der Zoo der Tierwelt folgt dem Vorbild der Natur und ist gleichwohl imaginär. Mit Vorbedacht werden die Tiere unter motivischen Aspekten gewählt. Der allgegenwärtige Löwe, der Hirsch oder ein Kätzchen kommen nicht in Betracht. Ihr häufiges Erscheinen in der Bildwelt, ihre Verbreitung auch durch die Spielzeugindustrie steht der Verwendung entgegen. Andere jedoch, die Maus, die Schlange, der Frosch, der Igel, die Schnecke, der Salamander, der Eisvogel und die Raupe tauchen auf zwischen den Linien und Geraden, den Körpern und Leervolumen der Werke - übrigens tauchen sie auch in der Bibel auf, von Samuel 1,6 bis Genesis 49, 17, vom Buche Exodus 7, 26 bis Jesaias 34,11 und so fort. Christoph Mause, der studierte Theologe, verleugnet im Sinne seines künstlerischen Selbstverständnisses zwar  diese Konkordanz. Aber dass sie besteht, kann auch er nicht verhindern. Das schillernde Chamäleon - was ließe sich alles zitieren! Die sich häutende Schlange soll einfach ein verbogenes Blech verklammern oder auf ihr Opfer unter dem Korb den Blick fixieren. Durch die sich mühenden Wühlmäuse ist nicht einmal auf die Vergeblichkeit allegorisch verwiesen. Sisyphus ist leider nicht das Thema. Was Christoph Mause mit seiner manuell ausgebildeten Geschicklichkeit konzeptuell anstrebt, ist eine Transformierung der Tiermotive. In Modelliermasse werden sie geformt, falls die Größe des Nilpferdes es verlangt, auch im Inneren  durch Metallarmierungen verstrebt. Die sich anschließende farbige Fassung sollte man sich nicht zu einfach vorstellen - die Igel wurden Stachel für Stachel in fünf Schich- ten bemalt. Und immer sind die Tiere entweder vereinzelt oder als Paar auf dem Sprunge, wodurch eine ihrer Eigenschaften herausgestellt ist: Tiere, wenn sie nicht ruhen oder noch anderes unternehmen, wittern unausgesetzt entweder die Gefahr, oder sie suchen nach Nahrung - deshalb ihre lauernde Stellung. So unterschiedlich die Tiere im Absprung charakterisiert sind, so verschieden ist auch ihr Absprungsort ausgebildet. Hier, wiederum zunächst für sich erörtert, kommt der Fußboden in Betracht, auf dem vorgefertigte Mausefallen einen Binnen- wie Außenraum durch die kreisförmige Anordnung voneinander trennen. Im Raumsinne aufgefasst, steigen Modelleisenbahnschienen, von Trägern gestützt, in diagonaler Richtung für eine Schildkröte an oder auf - dass verschiedene Richtungen vorstellbar sind, ist Indiz einer Doppeldeutigkeit. Der Boden eignet sich auch, sofern erlaubt, Stangen von einer Basis wie in die Höhe wachsend anzubringen, in der musealen Situation übernimmt eine quadratische Platte die tragende Rolle. Die Platte, nun an der Wand angebracht und grün bemalt, kann auch fünf Drähte in den Raum entsenden, vier gehen von den Ecken aus und kreuzen sich, die fünfte folgt weniger willig den Gesetzen der Gravitation und neigt sich im sanfteren Schwung. Wieder anders die Versammlung von 400 Kugeln, die zwar auch, auf den Boden gestreut, ihr Volumen behaupten, von ihrer gelben Farbigkeit darin bestärkt. Was allerdings ein Nilpferd mit ihnen anstellen soll, kann nur als Frage weitergegeben werden. Dass die Farbe nicht unbedingt benötigt wird, ist anlässlich des „Vierkanthölzer“ betitelten Objekts zu bemerken. Die Naturfarbe des Holzes reicht aus; als Absprungbasis für den gekrümmten Hamster genügt die Oberfläche eines Eckstabes; in der sechs mal sechs aufgestellten Reihung der Hölzer wird das Objekt in anderer Richtung, oder richtiger, in mehreren Richtungen durch die Wiederkehr des Gleichen interessant, kurz, ein serielles Verfahren über die Zwischenräume hinweg ist angewendet. Eine andere Arbeit aus jüngster Zeit bietet eine Zinkblechplatte, an zwei Seiten hochgezogen, und zwar so, dass ihre scharfen oberen Kanten nach unten in sanft auffassbarer Rundführung verlaufen. Das neueste Werk ist ein spiralenartiges Labyrinth, sein Material: Salz, das für die im Labyrinth kriechende Schnecke tödlich wäre. Was bleibt, ist die Flucht, doch die führt in die Irre. Dem Schneckentempo soll nicht eine unerwünschte Bedeutung unterlegt werden, aber ruft das Labyrinth nicht nach Assoziationen? An das minoische auf Kreta muss der Erzähler in einer Abschweifung erinnern dürfen. An der Minimal Art orientiert, erscheint die Spanplatte der „Igel“; sie müsste unweigerlich fallen, wären nicht die diagonal geführten Bänder, an denen unten beide Tiere agieren. So naturgetreu deren Augen aussehen - beide Igel sollen sich nicht erblicken können. Die „Vier Maulwürfe“ hängen an schrägen Platten, die wiederum kippen müssten; erneut verhindert ein Band, das die Bretter an der Oberkannte verbindet, den Absturz. Als Garant der Stabilität ist es in der Mitte befestigt, genau an dem Ort, wo sich die Tiere abmühen. Als tertium jungens dient die verbindende Farbigkeit, die das Disparate zusammenhält, zum Dunklen neigend in diesem Falle, ähnlich wie in der Begegnung von Robbe und schräger Kastenform, deren Rollen andeuten, dass sich das dressierte Wassertier zu seiner Vorführung anschickt. Im Falle der „Zwei Quader“ ist der Eisvogel im Verbund mit den Kugeln durch sein blaues wie orangefarbenes Gefieder integriert. Aber auch hier gibt es die mehrsinnige Verklausulierung. Blau und Orange sind Komplementärfarben, vergleichbar verhält sich das Rot zu jenem Violett, das einer eigenartigen Mischtonigkeit als Oberflächenfarbe die übereinander getürmten Kästen bedeckt. Die sich gegenseitig steigernden Differenzen zwischen volumenhaltigen Kästen, Leerraum und Kugel thematisieren den Spannungszustand, der in allen Arbeiten latent vorhanden ist. Was noch zur Sprache kommen muss: Wenn von Christoph Mauses Kunstobjekten, nun ausdrücklich als heterogene Ganzheit betrachtet, Empfindungsqualitäten ausgehen, so ist die Wirkungsweise intendiert. Wie der jeweilige Betrachter sie aufnimmt, mag offen bleiben. Dort, wo Frosch und Raupe einander begegnen, an den schon erwähnten Stangen, die das Motiv der Halme umdeuten, ist der Anblick nicht heiter. Was nicht zur Heiterkeit neigt, kann ins Komische umschlagen - das Wort Humor steht für die Balance zwischen beiden. Wird das Känguru den zweiten Kasten von links, dessen Material statt Holz Packpapier ist, nicht unweigerlich für einen stabilen Landeplatz halten? Komik und Elend - wer weiß? Und die Schlange, das Böse schlechthin, wird sie sich an den scharfen Oberkanten des Blechs bei ihrer Verklammerungsabsicht verletzen? Sie wird es nicht, denn ihr animalischer Radius ist begrenzt durch statische oder dynamische Formen der ästhetischen Gestaltung.    
Zwei blaue Quader, 1992
Igel, 1992
Mausefallen, 1992
Vierkanthölzer, 1993
Salz, 1994
400 Kugeln, 1992
Robbe, 1992
Vier Maulwürfe, 1993
Känguru, 1992
Schlange, 1994
  (Katalogtext aus: Christoph Mause: Minimal - Animal. Kunstverein Ahlen, Kunstverein Gelsenkirchen, Galerie Münsterland, Emsdetten, Städtische Galerie Lüdenscheid. Studiogalerie XVI, Förderpreis des Landschaftsver­bandes Westalen-Lippe. Münster: Landschaftsverband Westfalen Lippe. Westfälisches Museumsamt, 1995)
Texte Texte
Flechtkorb, 1994
Ohne Titel, 1991
CM 2024

CV

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Jürgen Wißmann
In der Kunst drängt bekanntlich vieles zur Metapher, um das Eindeutige zweideutig zu machen, vielleicht auch, um mit der Differenz von Faktum und Fiktum zu spielen. Christoph Mauses Kunstobjekte führen ein solches We- chselspiel geistreich und varianten- reich auf. Empirisch lassen sich die Werke nicht fassen, idealisch aber sollen sie auch nicht sein. Minimal - Animal als der gewählte Ausstellungstitel umschreibt in schö- nem Wortspiel die Absicht. Auf dialek- tische Komplikationen im Kunst- wie im Tierbereich sollte der Betrachter sich einstellen. Der Zoo der Tierwelt folgt dem Vor- bild der Natur und ist gleichwohl imaginär. Mit Vorbedacht werden die Tiere unter motivischen Aspek-ten gewählt. Der allgegenwärtige Löwe, der Hirsch oder ein Kätzchen kommen nicht in Betracht. Ihr häu- figes Erscheinen in der Bildwelt, ihre Verbreitung auch durch die Spiel- zeugindustrie steht der Verwen- dung entgegen. Andere jedoch, die Maus, die Schlange, der Frosch, der Igel, die Schnecke, der Salamander, der Eisvogel und die Raupe tauchen auf zwischen den Linien und Gera- den, den Körpern und Leervolumen der Werke - übrigens tauchen sie auch in der Bibel auf, von Samuel 1,6 bis Genesis 49, 17, vom Buche Exodus 7, 26 bis Jesaias 34,11 und so fort. Christoph Mause, der studierte Theologe, verleugnet im Sinne seines künstlerischen Selbst- verständnisses zwar  diese Kon- kordanz. Aber dass sie besteht, kann auch er nicht verhindern. Das schillernde Chamäleon - was ließe sich alles zitieren! Die sich häutende Schlange soll einfach ein verbogenes Blech verklammern oder auf ihr Opfer unter dem Korb den Blick fixieren. Durch die sich mühenden Wühlmäuse ist nicht einmal auf die Vergeblichkeit allegorisch verwiesen. Sisyphus ist leider nicht das Thema. Was Christoph Mause mit seiner manuell ausgebildeten Geschick- lichkeit konzeptuell anstrebt, ist eine Transformierung der Tiermotive. In Modelliermasse werden sie geformt, falls die Größe des Nilpferdes es verlangt, auch im Inneren  durch Metallarmierungen verstrebt. Die sich anschließende farbige Fassung sollte man sich nicht zu einfach vorstellen - die Igel wurden Stachel für Stachel in fünf Schichten bemalt. Und immer sind die Tiere entweder vereinzelt oder als Paar auf dem Sprunge, wodurch eine ihrer Ei- genschaften herausgestellt ist: Tiere, wenn sie nicht ruhen oder noch anderes unternehmen, wittern unausgesetzt entweder die Gefahr, oder sie suchen nach Nahrung - deshalb ihre lauernde Stellung So unterschiedlich die Tiere im Absprung charakterisiert sind, so verschieden ist auch ihr Absprungs- ort ausgebildet. Hier, wiederum zunächst für sich erörtert, kommt der Fußboden in Betracht, auf dem vorgefertigte Mausefallen einen Binnen- wie Außenraum durch die kreisförmige Anordnung vonein- ander trennen. Im Raumsinne auf- gefasst, steigen Modelleisenbahn- schienen, von Trägern gestützt, in diagonaler Richtung für eine Schildkröte an oder auf - dass ver- schiedene Richtungen vorstellbar sind, ist Indiz einer Doppeldeutig- keit. Der Boden eignet sich auch, sofern erlaubt, Stangen von einer Basis wie in die Höhe wachsend anzubringen, in der musealen Situation übernimmt eine quadra- tische Platte die tragende Rolle. Die Platte, nun an der Wand angebracht und grün bemalt, kann auch fünf Drähte in den Raum entsenden, vier gehen von den Ecken aus und kreuzen sich, die fünfte folgt weni- ger willig den Gesetzen der Gravi- tation und neigt sich im sanfteren Schwung. Wieder anders die Ver- sammlung von 400 Kugeln, die zwar auch, auf den Boden gestreut, ihr Volumen behaupten, von ihrer gel- ben Farbigkeit darin bestärkt. Was allerdings ein Nilpferd mit ihnen anstellen soll, kann nur als Frage weitergegeben werden. Dass die Farbe nicht unbedingt benötigt wird, ist anlässlich des „Vierkant- hölzer“ betitelten Objekts zu bemerken. Die Naturfarbe des Hol- zes reicht aus; als Absprungbasis für den gekrümmten Hamster genügt die Oberfläche eines Eckstabes; in der sechs mal sechs aufgestellten Reihung der Hölzer wird das Objekt in anderer Richtung, oder richtiger, in mehreren Richtungen durch die Wiederkehr des Gleichen interes- sant, kurz, ein serielles Verfahren über die Zwischenräume hinweg ist angewendet. Eine andere Arbeit aus jüngster Zeit bietet eine Zinkblech- platte, an zwei Seiten hochgezogen, und zwar so, dass ihre scharfen oberen Kanten nach unten in sanft auffassbarer Rundführung ver- laufen. Das neueste Werk ist ein spi- ralenartiges Labyrinth, sein Material: Salz, das für die im Labyrinth krie- chende Schnecke tödlich wäre. Was bleibt, ist die Flucht, doch die führt in die Irre. Dem Schneckentempo soll nicht eine unerwünschte Be- deutung unterlegt werden, aber ruft das Labyrinth nicht nach Assozia- tionen? An das minoische auf Kreta muss der Erzähler in einer Ab- schweifung erinnern dürfen. An der Minimal Art orientiert, er- scheint die Spanplatte der „Igel“; sie müsste unweigerlich fallen, wären nicht die diagonal geführten Bän- der, an denen unten beide Tiere agieren. So naturgetreu deren Au- gen aussehen - beide Igel sollen sich nicht erblicken können. Die „Vier Maulwürfe“ hängen an schrägen Platten, die wiederum kippen müssten; erneut verhindert ein Band, das die Bretter an der Ober- kannte verbindet, den Absturz. Als Garant der Stabilität ist es in der Mitte befestigt, genau an dem Ort, wo sich die Tiere abmühen. Als tertium jungens dient die verbin- dende Farbigkeit, die das Disparate zusammenhält, zum Dunklen nei- gend in diesem Falle, ähnlich wie in der Begegnung von Robbe und schräger Kastenform, deren Rollen andeuten, dass sich das dres- sierte Wassertier zu seiner Vor- führung anschickt. Im Falle der „Zwei Quader“ ist der Eisvogel im Verbund mit den Kugeln durch sein blaues wie orangefar- benes Gefieder integriert. Aber auch hier gibt es die mehrsinnige Ver- klausulierung. Blau und Orange sind Komplementärfarben, vergleichbar verhält sich das Rot zu jenem Vio- lett, das einer eigenartigen Misch- tonigkeit als Oberflächenfarbe die übereinander getürmten Kästen bedeckt. Die sich gegenseitig stei- gernden Differenzen zwischen volu- menhaltigen Kästen, Leerraum und Kugel thematisieren den Span- nungszustand, der in allen Arbeiten latent vorhanden ist. Was noch zur Sprache kommen muss: Wenn von Christoph Mauses Kunstobjekten, nun ausdrücklich als heterogene Ganzheit betrachtet, Empfindungsqualitäten ausgehen, so ist die Wirkungsweise intendiert. Wie der jeweilige Betrachter sie auf- nimmt, mag offen bleiben. Dort, wo Frosch und Raupe einander begeg- nen, an den schon erwähnten Stan- gen, die das Motiv der Halme um- deuten, ist der Anblick nicht heiter. Was nicht zur Heiterkeit neigt, kann ins Komische umschlagen - das Wort Humor steht für die Balance zwischen beiden. Wird das Känguru den zweiten Kasten von links, des- sen Material statt Holz Packpapier ist, nicht unweigerlich für einen stabilen Landeplatz halten? Komik und Elend - wer weiß? Und die Schlange, das Böse schlechthin, wird sie sich an den scharfen Ober- kanten des Blechs bei ihrer Ver- klammerungsabsicht verletzen? Sie wird es nicht, denn ihr animalischer Radius ist begrenzt durch statische oder dynamische Formen der ästhe- tischen Gestaltung.    
Zwei blaue Quader, 1992
Mausefallen, 1992
Vierkanthölzer, 1993
Salz, 1994
Vier Maulwürfe, 1993
Känguru, 1992
Schlange, 1994
Flechtkorb, 1994
Ohne Titel, 1991
400 Kugeln, 1992
Igel, 1992
Robbe, 1992
  (Katalogtext aus: Christoph Mause: Minimal - Animal. Kunstverein Ahlen, Kunstverein Gelsenkirchen, Galerie Münsterland, Emsdetten, Städtische Galerie Lüdenscheid. Studiogalerie XVI, Förderpreis des Landschaftsver­bandes Westalen- Lippe. Münster: Landschaftsverband Westfalen Lippe. Westfälisches Museumsamt, 1995)
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