FON 0291-56560
D-59872 Meschede
mail[at]christophmause.de
In der Kunst drängt bekanntlich vieles zur Metapher, um das Eindeutige zweideutig zu
machen, vielleicht auch, um mit der Differenz von Faktum und Fiktum zu spielen. Christoph
Mauses Kunstobjekte führen ein solches Wechselspiel geistreich und variantenreich auf.
Empirisch lassen sich die Werke nicht fassen, idealisch aber sollen sie auch nicht sein.
Minimal - Animal als der gewählte Ausstellungstitel umschreibt in schönem Wortspiel die
Absicht. Auf dialektische Komplikationen im Kunst- wie im Tierbereich sollte der Betrachter
sich einstellen.
Der Zoo der Tierwelt folgt dem Vorbild der
Natur und ist gleichwohl imaginär. Mit
Vorbedacht werden die Tiere unter
motivischen Aspekten gewählt. Der
allgegenwärtige Löwe, der Hirsch oder ein
Kätzchen kommen nicht in Betracht. Ihr
häufiges Erscheinen in der Bildwelt, ihre
Verbreitung auch durch die
Spielzeugindustrie steht der Verwendung
entgegen. Andere jedoch, die Maus, die
Schlange, der Frosch, der Igel, die Schnecke,
der Salamander, der Eisvogel und die Raupe
tauchen auf zwischen den Linien und
Geraden, den Körpern und Leervolumen der
Werke - übrigens tauchen sie auch in der
Bibel auf, von Samuel 1,6 bis Genesis 49, 17,
vom Buche Exodus 7, 26 bis Jesaias 34,11
und so fort.
Christoph Mause, der studierte Theologe, verleugnet im Sinne seines
künstlerischen Selbstverständnisses zwar diese Konkordanz. Aber dass sie
besteht, kann auch er nicht verhindern. Das schillernde Chamäleon - was ließe
sich alles zitieren! Die sich häutende Schlange soll einfach ein verbogenes Blech
verklammern oder auf ihr Opfer unter dem Korb den Blick fixieren. Durch die sich
mühenden Wühlmäuse ist nicht einmal auf die Vergeblichkeit allegorisch
verwiesen. Sisyphus ist leider nicht das Thema.
Was Christoph Mause mit seiner manuell
ausgebildeten Geschicklichkeit konzeptuell
anstrebt, ist eine Transformierung der
Tiermotive. In Modelliermasse werden sie
geformt, falls die Größe des Nilpferdes
es verlangt, auch im Inneren durch
Metallarmierungen verstrebt. Die sich
anschließende farbige Fassung sollte man
sich nicht zu einfach vorstellen - die Igel
wurden Stachel für Stachel in fünf Schich-
ten bemalt.
Und immer sind die Tiere entweder vereinzelt
oder als Paar auf dem Sprunge, wodurch eine
ihrer Eigenschaften herausgestellt ist: Tiere,
wenn sie nicht ruhen oder noch anderes
unternehmen, wittern unausgesetzt entweder die Gefahr, oder sie suchen nach Nahrung -
deshalb ihre lauernde Stellung.
So unterschiedlich die Tiere im Absprung charakterisiert sind, so verschieden ist auch ihr
Absprungsort ausgebildet. Hier, wiederum zunächst für sich erörtert, kommt der Fußboden
in Betracht, auf dem vorgefertigte Mausefallen einen Binnen- wie Außenraum durch die
kreisförmige Anordnung voneinander trennen. Im Raumsinne aufgefasst, steigen
Modelleisenbahnschienen, von Trägern gestützt, in diagonaler Richtung für eine Schildkröte
an oder auf - dass verschiedene Richtungen vorstellbar sind, ist Indiz einer Doppeldeutigkeit.
Der Boden eignet sich auch, sofern erlaubt, Stangen von einer Basis wie in die Höhe
wachsend anzubringen, in der musealen Situation übernimmt eine quadratische Platte die
tragende Rolle. Die Platte, nun an der Wand angebracht und grün bemalt, kann auch fünf
Drähte in den Raum entsenden, vier gehen von den Ecken aus und kreuzen sich, die fünfte
folgt weniger willig den Gesetzen der Gravitation und neigt sich im sanfteren Schwung.
Wieder anders die Versammlung von 400 Kugeln, die zwar auch, auf den Boden gestreut, ihr
Volumen behaupten, von ihrer gelben Farbigkeit darin bestärkt. Was allerdings ein Nilpferd
mit ihnen anstellen soll, kann nur als Frage weitergegeben werden. Dass die Farbe nicht
unbedingt benötigt wird, ist anlässlich des „Vierkanthölzer“ betitelten Objekts zu bemerken.
Die Naturfarbe des Holzes reicht aus; als Absprungbasis für den gekrümmten Hamster
genügt die Oberfläche eines Eckstabes; in der sechs mal sechs aufgestellten Reihung der
Hölzer wird das Objekt in anderer Richtung, oder richtiger, in mehreren Richtungen durch
die Wiederkehr des Gleichen interessant, kurz, ein serielles Verfahren über die
Zwischenräume hinweg ist angewendet.
Eine andere Arbeit aus jüngster Zeit bietet eine
Zinkblechplatte, an zwei Seiten hochgezogen, und zwar
so, dass ihre scharfen oberen Kanten nach unten in
sanft auffassbarer Rundführung verlaufen. Das neueste
Werk ist ein spiralenartiges Labyrinth, sein Material: Salz,
das für die im Labyrinth kriechende Schnecke tödlich
wäre. Was bleibt, ist die Flucht, doch die führt in die Irre.
Dem Schneckentempo soll nicht eine unerwünschte
Bedeutung unterlegt werden, aber ruft das Labyrinth
nicht nach Assoziationen? An das minoische auf Kreta
muss der Erzähler in einer Abschweifung
erinnern dürfen.
An der Minimal Art orientiert, erscheint die
Spanplatte der „Igel“; sie müsste
unweigerlich fallen, wären nicht die
diagonal geführten Bänder, an denen
unten beide Tiere agieren. So naturgetreu deren Augen aussehen - beide Igel
sollen sich nicht erblicken können. Die „Vier Maulwürfe“ hängen an schrägen
Platten, die wiederum kippen müssten; erneut verhindert ein Band, das die
Bretter an der Oberkannte verbindet, den Absturz. Als Garant der Stabilität ist
es in der Mitte befestigt, genau an dem Ort, wo sich die Tiere abmühen. Als
tertium jungens dient die verbindende Farbigkeit, die das Disparate
zusammenhält, zum Dunklen neigend in diesem Falle, ähnlich wie in der
Begegnung von Robbe und schräger Kastenform, deren Rollen andeuten, dass
sich das dressierte Wassertier zu seiner Vorführung anschickt.
Im Falle der „Zwei Quader“ ist der Eisvogel im Verbund mit den Kugeln durch sein blaues wie orangefarbenes Gefieder
integriert. Aber auch hier gibt es die mehrsinnige Verklausulierung.
Blau und Orange sind Komplementärfarben, vergleichbar verhält sich das Rot zu jenem Violett, das einer eigenartigen
Mischtonigkeit als Oberflächenfarbe die übereinander getürmten Kästen bedeckt. Die sich gegenseitig steigernden Differenzen
zwischen volumenhaltigen Kästen, Leerraum und Kugel thematisieren den Spannungszustand, der in allen Arbeiten latent
vorhanden ist.
Was noch zur Sprache kommen muss: Wenn von Christoph Mauses Kunstobjekten, nun
ausdrücklich als heterogene Ganzheit betrachtet, Empfindungsqualitäten ausgehen, so ist
die Wirkungsweise intendiert. Wie der jeweilige Betrachter sie aufnimmt, mag offen bleiben.
Dort, wo Frosch und Raupe einander begegnen, an den schon erwähnten Stangen, die das
Motiv der Halme umdeuten, ist der Anblick nicht heiter. Was nicht zur Heiterkeit neigt, kann
ins Komische umschlagen - das Wort Humor steht für die Balance zwischen beiden. Wird das
Känguru den zweiten Kasten von links, dessen Material statt Holz Packpapier ist, nicht
unweigerlich für einen stabilen Landeplatz halten? Komik und Elend - wer weiß? Und die
Schlange, das Böse schlechthin, wird sie sich an den scharfen Oberkanten des Blechs bei
ihrer Verklammerungsabsicht verletzen? Sie wird es nicht, denn ihr animalischer Radius ist
begrenzt durch statische oder dynamische Formen der ästhetischen Gestaltung.
Zwei blaue Quader, 1992
Igel, 1992
Mausefallen, 1992
Vierkanthölzer, 1993
Salz, 1994
400 Kugeln, 1992
Robbe, 1992
Vier Maulwürfe, 1993
Känguru, 1992
Schlange, 1994
(Katalogtext aus: Christoph Mause: Minimal - Animal. Kunstverein Ahlen, Kunstverein Gelsenkirchen, Galerie Münsterland,
Emsdetten, Städtische Galerie Lüdenscheid. Studiogalerie XVI, Förderpreis des Landschaftsverbandes Westalen-Lippe.
Münster: Landschaftsverband Westfalen Lippe. Westfälisches Museumsamt, 1995)
Flechtkorb, 1994
Ohne Titel, 1991